Category: Gesellschaft

  • Abdruck aus “Zukunft erfinden”

    WIE MACHT, GELD UND LOBBYISMUS DEN FORTSCHRITT BREMSTEN โ€“ UND WIE WIR ES ร„NDERN Kร–NNEN, ein Buch von Klaus Kampe

    EINLEITUNG
    Fortschritt ist eine der mรคchtigsten Triebkrรคfte in der Geschichte der Menschheit. Seit dem ersten gezรคhmten Feuer, dem Rad, der Dampfmaschine und der Elektrizitรคt war die technische Entwicklung stets eng mit dem Wunsch nach Freiheit, Bequemlichkeit und รœberwindung der Grenzen des Mรถglichen verbunden. Doch dieser Fortschritt verlief nie linear. Immer wieder wurde er gebremst, umgelenkt oder gar ganz gestoppt โ€“ nicht etwa, weil die Ideen unbrauchbar waren, sondern weil sie zu gut, zu gefรคhrlich oder schlicht zu unprofitabel fรผr bestehende Machtstrukturen waren.

    Das 20. und 21. Jahrhundert sind in besonderem MaรŸe Zeugen dieses paradoxen Verhรคltnisses zwischen Innovation und Behinderung geworden. Auf der einen Seite erleben wir eine explosionsartige Entwicklung neuer Technologien, von kuฬˆnstlicher Intelligenz bis hin zur Gentechnik. Auf der anderen Seite offenbart sich eine Schattenseite: wirtschaftliche und politische
    Interessengruppen, die den Fortschritt dort aufhalten, wo er bestehende Monopole, Mรคrkte oder Machtgefuฬˆge bedroht. Die Geschichte des modernen Kapitalismus ist damit zugleich eine Geschichte der verhinderten Erfindungen โ€“ eine Chronik des stillen Kampfes zwischen kreativen Geistern und den Architekten der wirtschaftlichen Kontrolle.

    DIE DIALEKTIK DES FORTSCHRITTS
    Der Mythos vom genialen Erfinder, der mit einer bahnbrechenden Idee die Welt verรคndert, prรคgt bis heute unser Bild der Innovation. Doch die Realitรคt zeigt, dass der Weg von der Idee zur Umsetzung selten nur von wissenschaftlicher Leistung abhรคngt. Oft sind es wirtschaftliche Interessen, juristische Huฬˆrden oder gezielte โ€žDesinformationskampagnenโ€œ , die bestimmen, welche Technologie sich durchsetzt und welche in Vergessenheit gerรคt. Ein prรคgnantes Beispiel hierfuฬˆr ist der Konflikt zwischen Nikola Tesla und Thomas Edison. Teslas Konzept des Wechselstroms war technisch uฬˆberlegen, effizienter und sicherer โ€“ doch Edison, unterstuฬˆtzt von Investoren und industriellen Partnern, fuฬˆhrte einen beispiellosen Propagandafeldzug gegen den Wechselstrom. Teslas Ideen von drahtloser Energieuฬˆbertragung, globaler Kommunikation und nahezu unbegrenzter Energieversorgung galten als revolutionรคr โ€“ und zugleich als Bedrohung fuฬˆr jene, die an der zentralisierten Stromversorgung verdienten. Der โ€žKrieg der Strรถmeโ€œ wurde letztlich nicht nur mit wissenschaftlichen Argumenten, sondern mit wirtschaftlicher Macht entschieden. Dieser Konflikt steht stellvertretend fuฬˆr ein wiederkehrendes Muster in der Geschichte der Technik: Fortschritt wird nicht allein an seiner Nuฬˆtzlichkeit gemessen, sondern an seiner Vereinbarkeit mit den Interessen derjenigen, die uฬˆber Kapital und politische Einflussmรถglichkeiten verfuฬˆgen. Eine bahnbrechende Idee kann zur Weltverรคnderung fuฬˆhren โ€“ oder in einer Schublade verschwinden, wenn sie bestehende Strukturen infrage stellt.

    Inhaltsverzeichnis:

    • Die Dialektik des Fortschritts
    • Das Prinzip der strukturellen Innovationshemmung
    • Beispiele eines unterdruฬˆckten Fortschritts
    • Die ethische Dimension des Fortschritts
      Teil I โ€“ Die fruฬˆhen Fรคlle des technischen Lobbyismus
      Kapitel 1: Nikola Tesla und der Kampf um den Strom
    • 1.1 Ein Erfinder zwischen Genie und System
    • 1.2 Der Krieg der Strรถme: Gleichstrom gegen
      Wechselstrom
    • 1.3 Der Traum der freien Energie
    • 1.4 Die Manipulation der รถffentlichen Meinung
    • 1.5 Die Lehre aus Teslas Scheitern
    • 1.6 Parallelen zur Gegenwart
    • 1.7 Fazit: Der Sieg der Macht uฬˆber die Vernunft
      Kapitel 2: Die Gluฬˆhbirne und das Kartell der Lichtindustrie
    • 2.1 Der Beginn eines neuen Zeitalters
    • 2.2 Wer hat die Gluฬˆhbirne erfunden?
    • 2.3 Das Phoebus-Kartell โ€“ Der Beginn geplanter
      Obsoleszenz
    • 2.4 Wirtschaftliche Motive und gesellschaftliche Folgen
    • 2.5 Patentrecht als Machtinstrument
    • 2.6 Geplante Obsoleszenz als รถkonomisches Prinzip
    • 2.7 Der lange Schatten des Kartells
    • 2.8 Lehren fuฬˆr Gegenwart und Zukunft
    • 2.9 Fazit: Zwischen Innovation und Kontrolle
      Kapitel 3: Der unterdruฬˆckte Fortschritt im Automobilbau:
      Vom Elektroauto zum Verbrenner
    • 3.1 Die Anfรคnge: Elektromobilitรคt im 19. Jahrhundert
    • 3.2 Der Aufstieg des Verbrennungsmotors
    • 3.3 Energie, Macht und Monopol
    • 3.4 Der โ€žGreat American Streetcar Scandalโ€œ
    • 3.5 Vergessene Innovationen und unterdruฬˆckte Patente
    • 3.6 Der Fall GM EV1 โ€“ Eine moderne Wiederholung
    • 3.7 Die Rolle der Politik und der Konsument
    • 3.8 Wandel im 21. Jahrhundert: Ein verspรคtetes Comeback
    • 3.9 Fazit: Fortschritt im Kreis
      Kapitel 4: Pharmaindustrie und die Blockade alternativer
      Heilmethoden
    • 4.1 Medizin zwischen Fortschritt und Marktlogik
    • 4.2 Die Logik der Patente โ€“ Schutz und Barriere zugleich
    • 4.3 Innovation im Schatten der Profitlogik
    • 4.4 Der Fall der HIV-Medikamente โ€“ Patente gegen
      Menschenrechte
    • 4.5 COVID-19 und die Debatte um Impfstofflizenzen
    • 4.6 Alternative und komplementรคre Heilmethoden โ€“
      zwischen Forschung und Regulierung
    • 4.7 Lobbyismus und Einflussnahme
    • 4.8 Wege zu einer gerechteren Arzneimittelinnovation
    • 4.9 Fazit: Medizin als Gemeingut
      Kapitel 5: Agrarwirtschaft und die Kontrolle uฬˆber Saatgut
    • 5.1 Nahrung als Machtfaktor
    • 5.2 Die Entstehung des industriellen Saatgutmarktes
    • 5.3 Marktkonzentration und die โ€žBig Fourโ€œ
    • 5.4 Der Fall Monsanto โ€“ Kontrolle durch Patente
    • 5.5 Auswirkungen auf Biodiversitรคt und
      Ernรคhrungssouverรคnitรคt
    • 5.6 Wissenschaftliche Innovation oder รถkonomische
      Kontrolle?
    • 5.7 Politische Einflussnahme und Agrarlobbyismus
    • 5.8 Wege zu einer nachhaltigen und gerechten Agrarpolitik
    • 5.9 Fazit: Das Saatgut der Zukunft gehรถrt allen
      Kapitel 6: Digitale Monopole und Informationskontrolle
    • 6.1 Vom Industriezeitalter zum Datenzeitalter
    • 6.2 Die Entstehung digitaler Monopole
    • 6.3 Patente, Urheberrecht und geistiges Eigentum im
      Digitalzeitalter
    • 6.4 Daten als Eigentum โ€“ oder als Gemeingut?
    • 6.5 Politische Einflussnahme der Tech-Konzerne
    • 6.6 Die neue Form des Lobbyismus:
      Informationsgestaltung
    • 6.7 Der Kampf um digitale Souverรคnitรคt
    • 6.8 Offene Technologien und Gemeinguฬˆter
    • 6.9 Fazit: Freiheit im Zeitalter der Datenรถkonomie
      Teil III: Zukunftsperspektiven: Wie sich Innovationsblockaden
      verhindern lassen
    • 7.1 Innovation als gesellschaftliche Verantwortung
    • 7.2 Das Dilemma des modernen Patentrechts
    • 7.3 Neue Eigentumsmodelle fuฬˆr Wissen und Technologie
    • 7.4 Transparente Wissenschaft und demokratische
      Kontrolle
    • 7.5 Bildung und Aufklรคrung als Schluฬˆssel
    • 7.6 Internationale Kooperation und globale Gerechtigkeit
    • 7.7 Ethik und Verantwortung im Zeitalter der KI
    • 7.8 Wirtschaft im Dienst des Gemeinwohls
    • 7.9 Fazit: Eine offene Zukunft
      Kapitel 8: Medien, Zensur und Informationskriege: Wie
      Meinung zur Ware wurde
    • 8.1 Die Macht uฬˆber die Erzรคhlung
    • 8.2 Medien als Instrument wirtschaftlicher Interessen
    • 8.3 PR, Propaganda und die Erfindung des โ€žPublic
      Relationsโ€œ-Zeitalters
    • 8.4 Zensur durch Struktur: Wie Kontrolle ohne Verbot
      funktioniert
    • 8.5 Fallbeispiel: Medienkampagnen gegen unbequeme
      Wissenschaft
    • 8.6 Digitale Meinungsmacht: Social Media und Filterblasen
    • 8.7 Einfluss von Lobbyorganisationen und Thinktanks
    • 8.8 Informationskriege im 21. Jahrhundert
    • 8.9 Wege zu freier Information und Medienethik
    • 8.10 Fazit: Wahrheit als Gemeingut
      Kapitel 9: Wirtschaft und Ethik: Macht, Moral und
      Verantwortung
    • 9.1 Von der freien Information zur ethischen ร–konomie
    • 9.2 Der unsichtbare Vertrag
    • 9.3 Die Moral des Marktes
    • 9.4 Die Trennung von ร–konomie und Moral
    • 9.5 Verantwortung ohne Gesicht
    • 9.6 Die Ethik der Effizienz
    • 9.7 Korporative Ethik โ€“ PR oder Prinzip?
    • 9.8 Die Macht der Lobby
    • 9.9 Der moralische Imperativ der Wirtschaft
    • 9.10 Die Ruฬˆckkehr des Gewissens
    • 9.11 Macht, die sich selbst begrenzt
    • 9.12 Der neue Humanismus
    • 9.13 Die Wuฬˆrde der Grenze
      Teil IV โ€“ Wege in eine offene Innovationskultur
      Kapitel 10: Kapitel 10 โ€“ Wege in die Zukunft: Innovation und
      Freiheit
    • 10.1 Der Mensch als Schรถpfer
    • 10.2 Die Wiederentdeckung des Gemeinwohls
    • 10.3 Bildung als Quelle der Freiheit
    • 10.4 Wissenschaft im Dienst der Menschheit
    • 10.5 Der digitale Humanismus
    • 10.6 Nachhaltigkeit als Systemprinzip
    • 10.7 Politik und die Macht des Mutigen
    • 10.8 Wirtschaft als Partner, nicht als Herr
    • 10.9 Der neue Gesellschaftsvertrag
    • 10.10 Innovation als moralische Aufgabe
    • 10.11 Hoffnung als Erfindung
      Kapitel 11: Reform des Patentrechts: Wissen als Gemeingut
    • 11.1 Das Dilemma des geistigen Eigentums
    • 11.2 Verkuฬˆrzung der Patentlaufzeiten
    • 11.3 Gemeinwohlorientierte Lizenzen
    • 11.4 Staatliche Fรถrderung offener Innovation
    • 11.5 Das Wissen der Zukunft
      Kapitel 12: Bildung, Transparenz und digitale Aufklรคrung
    • 12.1 Bildung als Fundament der Freiheit
    • 12.2 Wissenschaft als รถffentliches Gut
    • 12.3 Transparenzplattformen und Buฬˆrgerbeteiligung
    • 12.4 Ethik des Fortschritts: Verantwortung fuฬˆr Mensch und
      Planet
    • 12.5 Bildung als kollektives Bewusstsein
    • 12.6 Die Zukunft der Aufklรคrung
      Schlusswort โ€“ Der Mut zur Zukunft
    • Der Preis des Wandels
    • Warum Innovation Mut braucht
    • Eine Vision fuฬˆr eine gerechtere Zukunft
    • Appell an Politik, Forschung und Gesellschaft
    • Der Kreis schlieรŸt sich
    • Anhang
  • Excerpt from โ€œGerman Exiles on the Cรดte dโ€™Azurโ€

    A journey through the 1930s by Klaus Kampe

    HISTORICAL CONTEXT AND EXILE IN SOUTHERN FRANCE

    When the National Socialists seized power in Germany in January 1933, a period of persecution and loss began for many writers, artists, and intellectuals. Theaters were closed, editorial offices purged, books burned. Those who remained risked being banned from their professions, imprisonment, or worse. Those who left had to find a new world. Countless Germans set out on their journey โ€“ with suitcases full of manuscripts, sketches, or simply hope.

    The south of France, the Cรดte d’Azur, became a lifeline for many of them. The light, the vastness of the sea, the olive groves, and pine-covered hills gave the refugees a sense of freedom. The region was also convenient in practical terms: the cost of living was lower than in Paris, and Marseille offered the opportunity to travel further afield if the situation became uncertain. Artists and writers had already discovered the coast, and so in the 1930s it seemed like an old acquaintance that was now showing a new face โ€“ that of exile.

    During these years, the great names of German culture gathered here: Thomas Mann wrote in the guesthouses along the coast, while his brother Heinrich lived with Nelly Krรถger in Nice. Lion Feuchtwanger created an intellectual hub in his villa in Sanary-sur-Mer, frequented by Franz Werfel, Alma Mahler-Werfel, and many others. Bertolt Brecht wandered restlessly through the south of France, always searching for a place where work and security coincided. Painters such as Walter Bondy and writers such as Annette Kolb further shaped the atmosphere.

    Two places in particular became symbols of this exile: Nice, with its cosmopolitan vibrancy and boulevards where languages and cultures mingled; and Sanary-sur-Mer, a small fishing village whose harbor became the stage for a world in upheaval. There, between simple fishing boats and the facades of white houses, a close-knit community of exiles emerged, trying to preserve their language, their art, and their hope in the shadow of the looming dictatorship.

    Thus, on the Cรดte d’Azur, the beauty of the landscape was combined with the urgency of survivalโ€”leaving traces that are still visible today.


    TABLE OF CONTENTS

    Introduction

    Varian Fry โ€“ From Berlin to Marseille

    Historical Context and Exile in Southern France

    Exiles in Nice โ€“ The City of Refuge

    Sanary-sur-Mer โ€“ The German Village

    Famous Personalities in Exile

    The Portraits โ€“ Faces of a Lost World

    Marta and Lion Feuchtwanger

    Meeting at the Cafรฉ du Lyon

    Max Colpet

    Thomas Mann and the Art of Exile Salons

    Voices in Exile

    Art, Literature, and the Struggle for Freedom of Speech

    Encounters and Communities

    Threats, Internment, and Escape

    Places of Residence Today – Discovering Historical Sites

    Comparison of Historical Photographs

    Links to Photos and Places

    Image Sources

    Epilogue

    Appendix


    in german:

    Abdruck aus “Deutsche Exilanten an der Cรดte d’Azur”

    Eine Reise durch die 1930er von Klaus Kampe

    HISTORISCHER KONTEXT UND EXIL IN SรœDFRANKREICH

    Als im Januar 1933 die Nationalsozialisten in Deutschland die Macht รผbernahmen, begann fรผr viele Schriftsteller, Kรผnstler und Intellektuelle eine Zeit der Verfolgung und des Verlustes. Bรผhnen wurden geschlossen, Redaktionen gesรคubert, Bรผcher verbrannt. Wer blieb, riskierte Berufsverbot, Haft oder Schlimmeres. Wer ging, musste sich eine neue Welt suchen. So setzten sich unzรคhlige Deutsche in Bewegung โ€“ mit Koffern voller Manuskripte, Skizzen oder einfach nur Hoffnung.

    Der Sรผden Frankreichs, die Cรดte dโ€™Azur, wurde fรผr viele von ihnen zum Rettungsanker. Das Licht, die Weite des Meeres, die Olivenhaine und Pinienhรผgel gaben den Flรผchtenden eine Ahnung von Freiheit. Auch praktisch war die Region gรผnstig: Die Lebenshaltungskosten waren niedriger als in Paris, und von Marseille aus bot sich die Mรถglichkeit, weiterzureisen, falls die Lage unsicher wurde. Schon zuvor hatten Kรผnstler und Literaten die Kรผste entdeckt, und so wirkte sie in den 1930er Jahren wie eine alte Bekannte, die nun ein neues Gesicht zeigte โ€“ die eines Exils.

    In diesen Jahren trafen hier die groรŸen Namen der deutschen Kultur zusammen: Thomas Mann schrieb in den Pensionen der Kรผste, sein Bruder Heinrich lebte mit Nelly Krรถger in Nizza. Lion Feuchtwanger schuf in seiner Villa in Sanary-sur-Mer einen geistigen Mittelpunkt, an dem Franz Werfel, Alma Mahler-Werfel und viele andere verkehrten. Bertolt Brecht zog unstet durch Sรผdfrankreich, stets auf der Suche nach einem Ort, an dem Arbeit und Sicherheit zusammenfielen. Maler wie Walter Bondy oder Schriftstellerinnen wie Annette Kolb prรคgten die Atmosphรคre zusรคtzlich.

    Besonders zwei Orte wurden zu Symbolen dieses Exils: Nizza, mit seiner kosmopolitischen Lebendigkeit und den Boulevards, auf denen sich Sprachen und Kulturen mischten; und Sanary-sur-Mer, ein kleiner Fischerort, dessen Hafenbecken zur Bรผhne einer Welt im Umbruch wurde. Dort, zwischen einfachen Fischerbooten und den Fassaden weiรŸer Hรคuser, entstand eine dichte Gemeinschaft von Exilanten, die im Schatten der drohenden Diktatur versuchten, ihre Sprache, ihre Kunst und ihre Hoffnung zu bewahren.

    So verband sich an der Cรดte dโ€™Azur die Schรถnheit der Landschaft mit der Dringlichkeit des รœberlebens โ€“ und hinterlieรŸ Spuren, die bis heute sichtbar sind.

  • Dispute over responsibility

    Radio Nice Club presents an extraordinary song by Arcoplexus: in impressive song form, a debate unfolds between four personalities โ€“ doctor Friedrich Pirna, lawyer Jรผrgen Mรผller, peace activist Rainer Braun and musician Jens Fischer Rodrian. The focus is on the topic of responsibility, examined from four very different perspectives. A musical dialogue that inspires reflection.

    This song has been produced in both German and English.

    Radio Nice Club prรคsentiert einen auรŸergewรถhnlichen Song von Arcoplexus: In eindrucksvoller Liedform entfaltet sich ein Streitgesprรคch zwischen vier Persรถnlichkeiten โ€“ dem Arzt Friedrich Pirna, dem Anwalt Jรผrgen Mรผller, dem Friedensaktivisten Rainer Braun und dem Musiker Jens Fischer Rodrian. Im Zentrum steht das Thema Verantwortung, beleuchtet aus vier ganz unterschiedlichen Blickwinkeln. Ein musikalischer Dialog, der zum Nachdenken anregt.

    Dieser Song ist einmal in deutscher und einmal in englischer Sprache produziert.

    Text:

    Es war ein spรคtsommerlicher Abend, als sich vier Mรคnner in einer kleinen, hell erleuchteten Bibliothek trafen. Zwischen Regalen voller Bรผcher, die von Medizin, Recht, Musik und Politik erzรคhlten, begann ein Streitgesprรคch, das weit mehr als nur persรถnliche Positionen spiegelte: Es war ein Mikrokosmos der gegenwรคrtigen gesellschaftlichen Auseinandersetzungen.

    Der Arzt Friedrich Pirna ergriff als Erster das Wort. Sein Anliegen war die Gesundheit โ€“ nicht nur des Einzelnen, sondern der gesamten Gesellschaft. Mit kรผhler Prรคzision argumentierte er: โ€žWir dรผrfen den Begriff der Verantwortung nicht verengen. Medizin heiรŸt nicht nur Krankheit zu behandeln, sondern auch die sozialen und psychischen Ursachen zu verstehen. Wer heute schweigt, macht sich mitschuldig an den Krisen von morgen.โ€œ Pirna pochte auf Aufklรคrung und Rationalitรคt, warnte vor populistischen Verkรผrzungen und der Verdrรคngung wissenschaftlicher Erkenntnisse.

    Der Anwalt Jรผrgen Mรผller nickte kaum merklich, setzte jedoch einen Kontrapunkt. Fรผr ihn war das Fundament jeder Debatte das Recht. โ€žWir kรถnnen noch so viele Ideale beschwรถren โ€“ ohne die Sicherung durch Rechtsstaatlichkeit bleibt alles hohl. Jede noch so berechtigte Bewegung droht zu scheitern, wenn sie das Fundament des Rechts nicht achtet. Nur das Recht schรผtzt vor Willkรผr.โ€œ Mรผller erinnerte an die historische Erfahrung, dass Gesellschaften ohne rechtliche Schranken schnell in autoritรคre Versuchungen abgleiten.

    Der Friedensaktivist Rainer Braun lieรŸ sich davon nicht einschรผchtern. Seine Stimme war leidenschaftlich, getragen von Jahrzehnten im Kampf gegen Aufrรผstung und Gewalt. โ€žIhr redet von Regeln und Verantwortung โ€“ ich rede vom nackten รœberleben. Was nรผtzen uns Paragrafen, wenn Raketen in Minuten das Leben von Millionen zerstรถren kรถnnen? Frieden ist die erste Bedingung von allem anderen. Wer ihn nicht aktiv verteidigt, verteidigt gar nichts.โ€œ Braun kritisierte die Machtinteressen der Staaten, die Doppelstandards internationaler Politik und forderte eine radikale Umkehr: weg von militรคrischen Lรถsungen, hin zu Diplomatie und zivilem Widerstand.

    Der Musiker Jens Fischer Rodrian schloss schlieรŸlich den Kreis โ€“ und doch รถffnete er eine andere Dimension. Seine Worte waren weniger Argumente als Bilder, seine Sprache durchzogen von Metaphern. โ€žVielleicht ist unser grรถรŸtes Problem nicht die Gewalt, sondern die Sprachlosigkeit. Musik kann Brรผcken schlagen, wo Logik scheitert. Aber was nรผtzt Kunst, wenn sie sich ins Private zurรผckzieht? Wir brauchen eine Kultur des Widerstands, eine ร„sthetik des Friedens, die Herzen berรผhrt, bevor Kรถpfe รผberzeugt sind.โ€œ Er sah sich als รœbersetzer, als einer, der Gefรผhle politisch sichtbar machen wollte, ohne in Agitation zu verfallen.

    Der Disput wurde heftig, zuweilen persรถnlich. Pirna warf Braun vor, Gefahren der realen Sicherheitslage zu unterschรคtzen. Mรผller erinnerte Rodrian daran, dass Kunst allein keine politischen Institutionen ersetzt. Braun entgegnete, das Recht habe zu oft Kriege legitimiert, und Rodrian wiederum warnte die anderen, nicht nur in abstrakten Formeln zu denken, wรคhrend Menschen bereits an den Rรคndern der Gesellschaft litten.

    Und doch blieb am Ende ein Moment der Einigkeit: Alle vier wussten, dass die Gesellschaft nur dann bestehen kรถnne, wenn Medizin, Recht, Frieden und Kultur nicht gegeneinander, sondern miteinander wirken. Ihre Dispute zeigten die Brรผche unserer Zeit โ€“ aber auch, dass gerade im Streit eine produktive Wahrheit liegt.

  • Neutralitรคtsstudien – Neutrality Studies

    Ein Beitrag von Nel Bonilla.

    wenn Sie รผber mein kรผrzlich gefรผhrtes Interview mit Pascal Lottaz zum Thema Neutralitรคtsstudien hierher gelangt sind, danke ich Ihnen. Ich bin Ihnen sehr dankbar fรผr Ihr Interesse an diesen Themen, die leider von Tag zu Tag dringlicher werden.

    Ein paar Worte zu meiner Person und was Sie von Worldlines erwarten kรถnnen:

    Meine Ausbildung in Humangeographie, Migrationsstudien und Soziologie flieรŸt in meine Analyse der Art und Weise ein, wie Systeme โ€“ und nicht nur Individuen (obwohl Individuen auch dazu gehรถren, aber meist als Teil grรถรŸerer Gruppen) โ€“ globale Machtkonstellationen formen. Ich untersuche Elitenetzwerke, strukturelle und organisierte Gewalt und die verborgene Maschinerie der Geopolitik, manchmal mit dem Schwerpunkt, wie Institutionen Loyalitรคt und Konflikte erzeugen.

    Bei Worldlines untersuche ich die weitgehend unsichtbare Architektur der zeitgenรถssischen Geopolitik, die ihr zugrunde liegenden Schaltkreise, zum Beispiel durch:

    ๐Ÿ”น Elite Strategy: Die Institutionen, Stiftungen und Drehtรผrkarrieren, die privates Kapital in รถffentliche Politik umwandeln.

    ๐Ÿ”น Wie Konflikte gestaltet werden: Warum Begriffe wie โ€žstrategische Mehrdeutigkeitโ€œ und โ€žMultidomรคnen-Kriegsfรผhrungโ€œ Blaupausen fรผr endlose Eskalation sind und keineswegs der Lรถsung von Konflikten dienen.

    ๐Ÿ”น Strukturelle Kontinuitรคten: Die anhaltende hegemoniale Logik, die die Eindรคmmung des Kalten Krieges mit dem heutigen โ€žGroรŸmacht-Wettbewerbโ€œ mit all seinen menschlichen und politischen Folgen verbindet.

    Mein Ziel ist es nicht, Schlagzeilen zu verfolgen, sondern die langfristigen Prozesse zu verstehen, die sie antreiben. Gelegentlich reagiere ich auf bestimmte Nachrichtenereignisse, aber immer mit einem strukturellen Blickwinkel.

    Vorgeschlagene Einstiegspunkte
    Je nach Interesse kรถnnen Sie hier mit einigen Beitrรคgen beginnen:

    ๐Ÿ”นElite Capture & European Self-Destruction
    Warum transatlantische Netzwerke die EU-Politik gegen ihre eigenen Interessen vorantreiben. Und insbesondere, warum Deutschlands Energiearmut und Aufrรผstungspolitik fast schon konstruierte Ergebnisse sind.
    ๐Ÿ”นDer Mythos der transatlantischen Spaltung
    Die โ€žAutonomieโ€œ-Debatten der EU, erklรคrt: Warum die โ€žGrรคbenโ€œ zwischen den USA und Europa meist nur Theater sind.
    ๐Ÿ”นDer Plan fรผr US-Drohnenangriffe in Mexiko
    Ein Blick darauf, wie nominell neutrale Lรคnder in der unipolaren-multipolaren Konfrontation ins Visier genommen werden.
    ๐Ÿ”นZรถlle als Belagerungsmaschinen
    Was der Zollkrieg gegen China รผber die langfristige Strategie der USA verrรคt.

    ๐Ÿ”นTransatlantische Konvergenz: Frieden oder schlummernde NATO?
    Wie Europa im Rahmen einer neuen Einsatzdoktrin fรผr den Krieg umgerรผstet wird.

    ๐Ÿ”นDas geopolitische Theater: Trump, die NATO und der Weg ins Jahr 2028
    Anzeichen dafรผr, dass die Eskalation kein Zufall ist, sondern Teil eines bewussten und inszenierten Kontinuums.

    ๐Ÿ”นWarum unterstรผtzen die regierenden Eliten schรคdliche Politiken?
    Eine Untersuchung des systemischen, ideologischen und institutionellen Drucks auf die Entscheidungsfindung der Eliten.


    Demnรคchst,
    Ich entwickle derzeit ein neues langes Stรผck mit dem Arbeitstitel:
    โ€žWeaponizing Time & Uncertaintyโ€œ. Darin wird untersucht, wie strategische Mehrdeutigkeit eingesetzt wird, um die Instabilitรคt zu verlรคngern, was darauf hindeutet, dass globale permanente Spannungen das beabsichtigte Ergebnis sind. Natรผrlich wird dies noch viel ausfรผhrlicher erklรคrt und dargelegt werden.


    Ein Hinweis zu Rhythmus und Zeitplan
    Ich befinde mich in der Endphase meiner Doktorarbeit, daher erscheinen die wichtigsten Beitrรคge vorerst etwa alle drei Wochen. Sobald die Dissertation eingereicht ist, werde ich hรคufiger verรถffentlichen und auch Fragen und Antworten, Forschungstipps und Beitrรคge hinter den Kulissen verรถffentlichen. Dies sind historische Zeiten, und ich glaube, sie rechtfertigen eine sorgfรคltige und kritische Aufzeichnung.

    In jedem Fall bin ich besonders gespannt darauf, von Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, zu erfahren, wie sich diese Analyse auf Ihren Kontext auswirkt (wo immer Sie sich in der Welt befinden). Teilen Sie Ihre Gedanken in den Kommentaren mit.

    https://substack.com/home/post/p-168426706

    Was ist die Die Bourdieu-Falle?

    Der Ausdruck โ€žBourdieu-Falleโ€œ ist kein feststehender Begriff aus Pierre Bourdieus eigenem Werk, sondern eher eine kritische Zuschreibung oder eine Debattenformel, die in verschiedenen Kontexten auftaucht. Gemeint ist damit meistens ein problematischer Nebeneffekt der Anwendung von Bourdieus Theorie.

    Es lassen sich grob drei Bedeutungen unterscheiden, je nachdem, wer ihn verwendet:

    1. Determinismus-Falle
      • Bourdieus Konzepte wie Habitus, Feld und Kapital erklรคren sehr prรคzise, wie soziale Herkunft und Strukturen das Denken, Handeln und die Chancen von Menschen prรคgen.
      • Kritiker sprechen von einer โ€žFalleโ€œ, wenn man diese Erklรคrung so stark betont, dass Individuen fast nur noch als Produkte der Strukturen erscheinen โ€“ ohne Handlungsspielraum.
      • Gefahr: Man unterschรคtzt Kreativitรคt, Widerstand oder Brรผche mit dem Habitus.
    2. Reproduktions-Falle
      • Bourdieus Analysen (z. B. Die feinen Unterschiede) zeigen, wie Bildungs- und Klassensysteme soziale Ungleichheiten immer wieder neu erzeugen.
      • Als โ€žFalleโ€œ wird hier verstanden, dass man dazu neigt, Ungleichheit als fast zwangslรคufige Reproduktion zu sehen.
      • Gefahr: Pessimismus und politische Lรคhmung (โ€žman kann ja doch nichts รคndernโ€œ).
    3. Theorie-Falle
      • Manche Soziologen werfen Bourdieu vor, sein Theoriegebรคude sei so umfassend und selbstreferenziell, dass man fast alles darin erklรคren kรถnne.
      • โ€žFalleโ€œ heiรŸt hier: Man kann sich zu sehr in Bourdieus Kategorien (Kapitalarten, Felder, Habitus) einsperren und รผbersieht alternative Ansรคtze.

    ๐Ÿ‘‰ Kurz gesagt: Die โ€žBourdieu-Falleโ€œ meint die Gefahr, Bourdieus Einsichten so zu verwenden, dass man Menschen auf ihre soziale Herkunft reduziert und Verรคnderung, Handlungsmacht oder theoretische Vielfalt aus dem Blick verliert.

  • Scott and Zelda Fitzgerald on the Cรดte d’Azur

    Scott and Zelda Fitzgerald on the Cรดte d’Azur โ€“ A life between glamour and ruin

    Francis Scott Fitzgerald and his wife Zelda were among the most dazzling figures of the 1920s. As the epitome of the Jazz Age, they lived a life of literary intoxication, excess, and social glamour โ€“ a life that reached its peak, but also its tragedy, in the south of France, on the Cรดte d’Azur.

    The dream of the south

    After the success of The Great Gatsby, the Fitzgeralds sought a new home away from the United States. In 1924, they were drawn to the French Riviera, which had become a magnet for artists, writers, and eccentrics in the years after World War I. A cosmopolitan community developed here, where Americans, British, and French people met. The Cรดte d’Azur stood for sun, luxury, and sophisticated freedomโ€”the ideal backdrop for a couple who embodied the myth of the โ€œgolden life.โ€

    Glamour and society

    In Cannes, Antibes, and Juan-les-Pins, the Fitzgeralds quickly became part of an illustrious circle. They socialized with Gertrude Stein, Picasso, Cole Porter, and above all Ernest Hemingway, with whom Scott had a difficult but formative friendship. The evenings were marked by lavish parties, alcohol, and scandals. Scott and Zelda became symbolic figures of an unrestrained generation that wanted to try everything after the horrors of war.

    Work and turmoil

    But behind the glittering faรงade, tensions were simmering. Fitzgerald worked feverishly on new texts, while Zelda increasingly took refuge in her own artistic ambitions โ€“ dance, painting, and later writing. Their marriage was strained by rivalry, jealousy, and Scott’s alcohol problems. Added to this was Zelda’s mental instability, which intensified during their years on the Riviera. Nevertheless, significant works emerged from this atmosphere: Fitzgerald gathered impressions that flowed into Tender is the Night, a novel that captures the Cรดte d’Azur lifestyle and the breakdown of a marriage like no other.

    Shattered illusions

    The dream of a โ€œsouthern paradiseโ€ proved illusory. Zelda suffered a severe nervous breakdown in France in 1930 and was admitted to a clinic. Scott struggled increasingly with his role as a writer who was celebrated but also increasingly tormented by self-doubt. The sparkling couple who once ruled the Riviera became tragic figures: trapped in their longing for beauty, but torn between art, intoxication, and inner emptiness.

    Aftermath

    Their time on the Cรดte d’Azur left an indelible mark on literature. In Fitzgerald’s descriptions, light and shadow, sun and abyss, celebration and decay merge. What began as a fairy tale of glamour and youth ended as a symbol of an era whose lightness was always accompanied by destruction.

    Thus, the memory of Scott and Zelda Fitzgerald on the Riviera remains a paradox: they lived there the dream of eternal summer โ€“ and at the same time its bitter awakening.


    in deutsch:

    Scott und Zelda Fitzgerald an der Cรดte dโ€™Azur โ€“ Ein Leben zwischen Glanz und Abgrund

    Francis Scott Fitzgerald und seine Frau Zelda gehรถren zu den schillerndsten Figuren der 1920er Jahre. Als Inbegriff des โ€žJazz Ageโ€œ lebten sie ein Leben im Rausch von Literatur, Exzess und gesellschaftlichem Glanz โ€“ ein Leben, das gerade in Sรผdfrankreich, an der Cรดte dโ€™Azur, seinen Hรถhepunkt, aber auch seine Tragik fand.

    Der Traum vom Sรผden

    Nach dem Erfolg von The Great Gatsby suchten die Fitzgeralds eine neue Heimat abseits der Vereinigten Staaten. 1924 zog es sie an die franzรถsische Riviera, die in den Jahren nach dem Ersten Weltkrieg zu einem Anziehungspunkt fรผr Kรผnstler, Schriftsteller und Exzentriker geworden war. Hier entstand eine kosmopolitische Gemeinschaft, in der sich Amerikaner, Briten und Franzosen trafen. Die Cรดte dโ€™Azur stand fรผr Sonne, Luxus und mondรคne Freiheit โ€“ ideale Kulisse fรผr ein Paar, das den Mythos des โ€žgoldenen Lebensโ€œ verkรถrperte.

    Glanz und Gesellschaft

    In Cannes, Antibes und Juan-les-Pins waren die Fitzgeralds schnell Teil eines illustren Kreises. Sie verkehrten mit Gertrude Stein, Picasso, Cole Porter und vor allem mit Ernest Hemingway, mit dem Scott eine schwierige, aber prรคgende Freundschaft verband. Die Abende waren geprรคgt von rauschenden Festen, Alkohol und Skandalen. Scott und Zelda wurden zu Symbolfiguren einer entfesselten Generation, die nach den Schrecken des Krieges alles ausprobieren wollte.

    Arbeit und Zerrissenheit

    Doch hinter der glรคnzenden Fassade brodelten Spannungen. Fitzgerald arbeitete fieberhaft an neuen Texten, wรคhrend Zelda zunehmend in ihre eigenen kรผnstlerischen Ambitionen flรผchtete โ€“ Tanz, Malerei, spรคter das Schreiben. Ihre Ehe wurde von Rivalitรคt, Eifersucht und Scotts Alkoholproblemen belastet. Hinzu kam Zeldas geistige Instabilitรคt, die sich wรคhrend der Jahre an der Riviera verstรคrkte. In dieser Atmosphรคre entstanden dennoch bedeutende Werke: Fitzgerald sammelte Eindrรผcke, die in Tender is the Night einflossen, einem Roman, der wie kein anderer das Lebensgefรผhl der Cรดte dโ€™Azur und den Zerfall einer Ehe einfรคngt.

    Zerbrechende Illusionen

    Der Traum vom โ€žsรผdlichen Paradiesโ€œ erwies sich als trรผgerisch. Zelda erlitt 1930 in Frankreich einen schweren Nervenzusammenbruch und wurde in eine Klinik eingewiesen. Scott kรคmpfte immer stรคrker mit seiner Rolle als Schriftsteller, der zwar gefeiert, aber zunehmend auch von Selbstzweifeln gequรคlt war. Aus dem funkelnden Paar, das einst die Riviera beherrschte, wurden tragische Figuren: Gefangen in ihrer Sehnsucht nach Schรถnheit, aber zerrieben zwischen Kunst, Rausch und innerer Leere.

    Nachklang

    Die Zeit an der Cรดte dโ€™Azur hinterlieรŸ in der Literatur ein unvergรคngliches Echo. In Fitzgeralds Schilderungen verschmelzen Licht und Schatten, Sonne und Abgrund, Feste und Zerfall. Was zunรคchst wie ein Mรคrchen aus Glanz und Jugend begann, endete als Symbol einer Epoche, deren Leichtigkeit immer schon von Zerstรถrung begleitet war.

    So bleibt die Erinnerung an Scott und Zelda Fitzgerald an der Riviera ein Paradox: Sie lebten dort den Traum vom ewigen Sommer โ€“ und zugleich dessen bitteres Erwachen.


    in french:

    Scott et Zelda Fitzgerald sur la Cรดte d’Azur โ€“ Une vie entre gloire et abรฎme

    Francis Scott Fitzgerald et sa femme Zelda comptent parmi les personnages les plus fascinants des annรฉes 1920. Incarnant ร  la perfection le ยซ Jazz Age ยป, ils menaient une vie marquรฉe par la littรฉrature, les excรจs et les fastes mondains โ€“ une vie qui a connu son apogรฉe, mais aussi sa tragรฉdie, dans le sud de la France, sur la Cรดte d’Azur.

    Le rรชve du Sud

    Aprรจs le succรจs de Gatsby le Magnifique, les Fitzgerald cherchรจrent une nouvelle patrie loin des ร‰tats-Unis. En 1924, ils s’installรจrent sur la Cรดte d’Azur, qui รฉtait devenue aprรจs la Premiรจre Guerre mondiale un pรดle d’attraction pour les artistes, les รฉcrivains et les excentriques. Une communautรฉ cosmopolite s’y รฉtait formรฉe, oรน se cรดtoyaient Amรฉricains, Britanniques et Franรงais. La Cรดte d’Azur รฉtait synonyme de soleil, de luxe et de libertรฉ mondaine โ€“ un cadre idรฉal pour un couple qui incarnait le mythe de la ยซ vie dorรฉe ยป.

    Glamour et mondanitรฉs

    ร€ Cannes, Antibes et Juan-les-Pins, les Fitzgerald s’intรจgrent rapidement dans un cercle illustre. Ils frรฉquentent Gertrude Stein, Picasso, Cole Porter et surtout Ernest Hemingway, avec lequel Scott entretient une amitiรฉ difficile mais marquante. Les soirรฉes รฉtaient marquรฉes par des fรชtes somptueuses, l’alcool et les scandales. Scott et Zelda devinrent les figures emblรฉmatiques d’une gรฉnรฉration dรฉbridรฉe qui, aprรจs les horreurs de la guerre, voulait tout essayer.

    Travail et dรฉchirement

    Mais derriรจre cette faรงade brillante, les tensions bouillonnaient. Fitzgerald travaillait fรฉbrilement ร  de nouveaux textes, tandis que Zelda se rรฉfugiait de plus en plus dans ses propres ambitions artistiques : la danse, la peinture, puis plus tard l’รฉcriture. Leur mariage รฉtait minรฉ par la rivalitรฉ, la jalousie et les problรจmes d’alcoolisme de Scott. ร€ cela s’ajoutait l’instabilitรฉ mentale de Zelda, qui s’est aggravรฉe au fil des annรฉes passรฉes sur la Cรดte d’Azur. Dans cette atmosphรจre, des ล“uvres importantes ont nรฉanmoins vu le jour : Fitzgerald a recueilli des impressions qui ont nourri Tender is the Night, un roman qui, comme aucun autre, capture l’esprit de la Cรดte d’Azur et la dรฉsintรฉgration d’un mariage.

    Illusions brisรฉes

    Le rรชve d’un ยซ paradis mรฉridional ยป s’est avรฉrรฉ illusoire. En 1930, Zelda a fait une grave dรฉpression nerveuse en France et a รฉtรฉ admise dans une clinique. Scott avait de plus en plus de mal ร  assumer son rรดle d’รฉcrivain, certes cรฉlรจbre, mais de plus en plus tourmentรฉ par le doute. Le couple รฉtincelant qui rรฉgnait autrefois sur la Cรดte d’Azur est devenu tragique : prisonnier de son dรฉsir de beautรฉ, mais dรฉchirรฉ entre l’art, l’ivresse et le vide intรฉrieur.

    Rรฉpercussions

    Le temps passรฉ sur la Cรดte d’Azur a laissรฉ une empreinte indรฉlรฉbile dans la littรฉrature. Dans les descriptions de Fitzgerald, lumiรจre et ombre, soleil et abรฎme, fรชte et dรฉcadence se confondent. Ce qui avait commencรฉ comme un conte de fรฉes fait de splendeur et de jeunesse s’est terminรฉ comme le symbole d’une รฉpoque dont la lรฉgรจretรฉ a toujours รฉtรฉ accompagnรฉe de destruction.

    Le souvenir de Scott et Zelda Fitzgerald sur la Riviera reste donc paradoxal : ils y ont vรฉcu le rรชve d’un รฉtรฉ รฉternel, mais aussi son rรฉveil amer.

  • Thomas Mann on Wagner, Nietzsche and Freud

    Thomas Mann on Wagner, Nietzsche, and Freud โ€“ Germanness as reflected in modernity

    When Thomas Mann speaks, people listen โ€“ not only because of the elegance of his language, but also because of his sharp insight into German culture. In his lecture on Richard Wagner on February 10, 1933, he ventured an interpretation that removed the composer from the sphere of nationalistic veneration and placed him in the vicinity of another authority that was just beginning to take effect: Sigmund Freud’s new ideas.

    Thomas Mann portrays Richard Wagner as an artist of a broken modernity, as a figure who does not rest in sublimity but is marked by inner conflicts. The excess, the pathos, the ecstatic exaggeration of his music appear to Mann as symptoms of a psychological struggle โ€“ an expression of the unconscious that Freud had made visible for the first time.

    In this interpretation, Wagner’s โ€œGermannessโ€ is not understood as a proud, flawless force, but as a spiritual fabric of greatness and illness, of creative vision and corrosive self-analysis. For Mann, Wagner is not a national saint, but the first great representative of a modern, self-questioning Germany.

    But Thomas Mann did not stop at psychoanalytic interpretation. He drew further parallels โ€“ to Friedrich Nietzsche, the philosopher who was initially ardently devoted to the โ€œMaster of Bayreuthโ€ before turning away from him in a radical break. For Mann, this relationship was particularly revealing: Nietzsche recognized in Wagner’s intoxication, demonism, and excess the danger of exaggeration that could tip over into pathology.

    In Nice, where Mann lived for a time, he sensed the same tension between illness and creation that Nietzsche had experienced so vividly in the south. Nice, with its light and its vastness, became a contrasting image for both of themโ€”a place of recovery and clarity, but also of painful self-observation. For Mann, Wagner embodied the abysmal German, while Nietzsche represented the critical, clarifying authority that rejected this legacy and at the same time transformed it creatively.

    But Thomas Mann himself was always reflected in this constellation. Like Wagner, he saw himself as an artist who drew inspiration from inner turmoil. The โ€œbourgeois solidityโ€ he embodied outwardly only partially concealed the abysses and ambivalences that nourished his work. From Nietzsche, he adopted the role of the self-analyst who recognizes weakness, critically penetrates it, and thereby overcomes it.

    In Nice, in the light of the Cรดte d’Azur, this self-interpretation became particularly clear to Mann. The south made him realize that Germanness was not only fate, but also a task: to reflect on it critically, to name its dangers, and to transform it from within. Wagner, Nietzsche, and Freud were not mere points of reference for him, but reflections of his own existence.

    This lecture on Wagner thus goes far beyond music. It proves to be a key text on Thomas Mann’s journey from defender of the โ€œGerman essenceโ€ in Reflections of an Unpolitical Man to sharp critic who opposed National Socialism in exile. What began in Nice in reflections on Wagner and Nietzsche found its conclusion in a clear rejection of self-destructive Germanness.

    Thomas Mann’s interpretation of Wagner is a document of intellectual self-discovery: the linking of music, philosophy, and psychoanalysis into a triad of modernityโ€”and at the same time the confession of a poet who recognized his own destiny in the mirror of Wagner and Nietzsche.

    Thomas Mann und Friedrich Nietzsche, Siegmund Freud und Richard Wagner