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  • Karl Marx meets Lรฉo Ferrรฉ at the casino

    Rouge et Noir โ€“ A short story from Monaco

    The night hung heavy over the principality when Karl Marx, marked by the dusty winds of Algiers, arrived in Monaco. His beard was tousled, his eyes glowed like coals, and yet he seemed weary from the battles of ideas. He had not sought the way to Monte Carlo, but here he wasโ€”on the threshold of the casino, where wealth and ruin were distributed at the tables of โ€œRouge et Noir.โ€

    Inside, amid sparkling chandeliers and the clatter of chips, sat Leo Ferrรฉ, the anarchist, poet, and singer. He had just growled the words โ€œPoรจteโ€ฆ vos papiers!โ€ when he saw Marx. They did not know each other, but it was as if they had always been destined to meet.

    โ€œMonsieur Marx,โ€ Ferrรฉ began mockingly, “here, where luck crumbles into cards and balls, you would search in vain for the proletariat. Only bourgeois and gamblers โ€“ the true rulers of the 20th century.”

    Marx took off his coat, sat down, and glanced at the roulette wheel: “My dear Ferrรฉ, this house is the purest allegory of capital. The ball rolls, and the player believes in freedom. But in truth, the laws of probability are as inexorable as economics. The casino always wins.”

    Ferrรฉ laughed harshly: โ€œBut it gives us illusion! People need dreams, not just analysis. Monacoโ€”it has changed. From a poor rock with fishing nets to a realm of the rich. And yet: here, the longing for freedom creeps into every chanson.โ€

    Another figure stepped out of the shadows: Guillaume Apollinaire, his forehead filled with poems, like others with wine. “You speak of illusion and freedom? I tell you, Monaco is a poem in which the words roulette ball and sea, betrayal and hope, are intertwined. You don’t have to dissect them โ€“ you have to sing them.”

    The dialogue heated up, and the smoke from the cigars mingled with the spirit of the debates. Then Anthony Burgess entered the room, sharply dressed, a smile on his lips. He sat down as if he wanted to direct the scene. โ€œGentlemen, I wrote about violence and control, about societies that are like chessboards. But Monaco? It’s a laboratory. Here you can see how a microstate survives: through money laundering, through glamour, through the export of dreams. A dystopian microcosm.โ€

    โ€œDystopia?โ€ snorted Marcel Pagnol, the southern storyteller, who had just arrived. “I tell you: here, too, the people live, here, too, the kitchen smells of garlic and the sea. Behind the facades of the casino, children laugh, old women tell stories, and the fishermenโ€”yes, they still existโ€”cast their nets. You can’t just see the glitz. You have to feel the heart of the Midi.”

    The voices collided like balls on a roulette wheel. Marx railed against capitalism, Ferrรฉ sang verses of rebellion and love in a low voice, Apollinaire spoke in images, Burgess painted fears of the future, and Pagnol defended the everyday nature of humanity.

    Finally, the croupier dropped the ball. It rolled, bounced, danced. All eyes were on the game, which suddenly became more than just a game. โ€œRouge!โ€ cried the room, and indeed โ€“ the ball landed on red.

    Marx stood up: โ€œYou see? It’s always a battle: red against black. And as long as people believe that happiness can be bought, history remains unfinished.โ€

    Ferrรฉ reached for his cigarette, blew smoke into the chandelier, and whispered, โ€œOr you sing against it, Karl. You sing so loud that even the walls of this casino shake.โ€

    And outside, the Mediterranean Sea roared, indifferent as ever, while in Monaco the ball continued to rollโ€”through the decades, through the voices of poets and rebels.


    in deutsch:

    Rouge et Noir โ€“ Eine Nouvelle aus Monaco

    Die Nacht hing schwer รผber dem Fรผrstentum, als Karl Marx, vom staubigen Wind Algiers gezeichnet, in Monaco eintraf. Sein Bart war zerzaust, die Augen glรผhten wie Kohlen, und doch wirkte er zugleich mรผde von den Kรคmpfen der Ideen. Er hatte nicht den Weg nach Monte Carlo gesucht, aber er war hier โ€“ auf der Schwelle des Casinos, wo Reichtum und Ruin sich an den Tischen des โ€žRouge et Noirโ€œ verteilten.

    Drinnen, zwischen funkelnden Kronleuchtern und dem Lรคrm der Jetons, saรŸ Leo Ferrรฉ, der Anarchist, Dichter und Sรคnger. Er hatte gerade die Worte โ€žPoรจteโ€ฆ vos papiers!โ€œ hingeknurrt, als er Marx erblickte. Sie kannten sich nicht, doch es war, als ob sie sich immer schon begegnen mussten.

    โ€žMonsieur Marx,โ€œ begann Ferrรฉ spรถttisch, โ€žhier, wo das Glรผck in Karten und Kugeln zerfรคllt, wรผrden Sie wohl das Proletariat vergeblich suchen. Nur Bourgeois und Spieler โ€“ die wahren Herrscher des 20. Jahrhunderts.โ€œ

    Marx legte den Mantel ab, nahm Platz, und sein Blick streifte das Roulette: โ€žMein lieber Ferrรฉ, dieses Haus ist die reinste Allegorie des Kapitals. Die Kugel rollt, und der Spieler glaubt an die Freiheit. Doch in Wahrheit sind die Gesetze der Wahrscheinlichkeit so unerbittlich wie die ร–konomie. Das Casino gewinnt immer.โ€œ

    Ferrรฉ lachte hart: โ€žAber es schenkt Illusion! Die Menschen brauchen Trรคume, nicht nur Analysen. Monaco โ€“ es hat sich gewandelt. Vom armseligen Felsen mit Fischernetzen zu einem Reich der Reichen. Und doch: hier schleicht sich die Sehnsucht nach Freiheit in jedes Chanson.โ€œ

    Aus den Schatten trat eine weitere Gestalt: Guillaume Apollinaire, die Stirn mit Gedichten gefรผllt, wie andere mit Wein. โ€žIhr sprecht von Illusion und Freiheit? Ich sage euch, Monaco ist ein Gedicht, in dem die Wรถrter Roulettekugel und Meer, Verrat und Hoffnung, sich ineinander verstricken. Man muss sie nicht zerlegen โ€“ man muss sie singen.โ€œ

    Der Dialog erhitzte sich, und der Rauch der Zigarren mischte sich mit dem Geist der Debatten. Da betrat Anthony Burgess den Saal, scharf gekleidet, ein Lรคcheln auf den Lippen. Er setzte sich dazu, als wolle er Regie fรผhren. โ€žMeine Herren, ich schrieb von Gewalt und Kontrolle, von Gesellschaften, die wie Schachbretter sind. Aber Monaco? Es ist ein Labor. Hier zeigt sich, wie ein Zwergstaat รผberlebt: durch Geldwรคsche, durch Glanz, durch den Export von Trรคumen. Ein dystopischer Mikrokosmos.โ€œ

    โ€žDystopie?โ€œ schnaubte Marcel Pagnol, der sรผdliche Erzรคhler, eben eingetroffen. โ€žIch sage euch: Auch hier lebt das Volk, auch hier riecht die Kรผche nach Knoblauch und Meer. Hinter den Fassaden des Casinos lachen Kinder, alte Frauen erzรคhlen Geschichten, und die Fischer โ€“ ja, es gibt sie noch โ€“ werfen ihre Netze. Man darf nicht nur den Glanz sehen. Man muss auch das Herz des Midi spรผren.โ€œ

    Die Stimmen prallten aufeinander wie Kugeln auf dem Roulette. Marx wetterte gegen den Kapitalismus, Ferrรฉ sang halblaut Verse von Aufruhr und Liebe, Apollinaire sprach in Bildern, Burgess malte Zukunftsรคngste, und Pagnol verteidigte die Alltรคglichkeit des Menschlichen.

    SchlieรŸlich lieรŸ der Croupier die Kugel fallen. Sie rollte, sprang, tanzte. Alle Augen richteten sich auf das Spiel, das plรถtzlich mehr war als ein Spiel. โ€žRouge!โ€œ rief der Saal, und tatsรคchlich โ€“ die Kugel fiel auf Rot.

    Marx erhob sich: โ€žSeht ihr? Es bleibt immer ein Kampf: Rot gegen Schwarz. Und solange die Menschen glauben, das Glรผck kรถnne man kaufen, bleibt die Geschichte unvollendet.โ€œ

    Ferrรฉ griff nach seiner Zigarette, blies den Rauch in den Kronleuchter und flรผsterte: โ€žOder man singt gegen sie an, Karl. Man singt so laut, dass selbst die Mauern dieses Casinos beben.โ€œ

    Und drauรŸen rauschte das Mittelmeer, gleichgรผltig wie immer, wรคhrend in Monaco die Kugel weiterrollte โ€“ durch die Jahrzehnte, durch die Stimmen der Dichter und Rebellen.


    Rouge et Noir โ€“ Ein Disput in Monte Carlo

    (Theater in Prosa, in vier Szenen)


    Personen

    • Karl Marx, Philosoph, vom Wรผstenwind Algiers gezeichnet.
    • Leo Ferrรฉ, anarchistischer Chansonnier, zynisch und glรผhend zugleich.
    • Guillaume Apollinaire, Dichter, halb Geist, halb Mensch.
    • Anthony Burgess, Schriftsteller, Beobachter der Moderne, ironisch.
    • Marcel Pagnol, Erzรคhler des Sรผdens, menschlich und warm.
    • Croupier, stumm, aber Schicksal in Bewegung setzend.

    Szene I โ€“ Ankunft

    (Ein Saal des Casinos. Spiegel und Kronleuchter, das Klingen von Jetons. Marx tritt ein, schwer atmend, den Mantel รผber dem Arm. Er bleibt am Roulette stehen. Ferrรฉ sitzt bereits da, Zigarette in der Hand.)

    Ferrรฉ: (spรถttisch)
    Monsieur Marx! Ein Revolutionรคr im Tempel des Spiels. Hier regiert nicht das Volk, hier regiert die Kugel.

    Marx: (setzt sich, mit Blick auf das Roulette)
    Gerade deswegen, mein Lieber. Hier zeigt sich das Kapital in seiner reinsten Form: Die Freiheit als Illusion, die Gesetze der Zahl als eiserne Notwendigkeit. Immer gewinnt das Haus.

    Ferrรฉ: (lacht rau)
    Aber das Haus nรคhrt die Trรคume. Und ohne Trรคume, Karl, hungern die Menschen mehr als ohne Brot.


    Szene II โ€“ Der Dichter

    (Apollinaire tritt aus dem Halbdunkel, ein Glas in der Hand, als sei er aus den Versen selbst herabgestiegen.)

    Apollinaire:
    Ihr sprecht von Brot und Illusion? Ich sage euch: Monaco ist ein Gedicht aus Marmor und Meer. Das Roulette singt, die Jetons reimen. Zerlegt ihr den Reim, bleibt nur Staub.

    Marx: (hart)
    Poesie ist das Opium des Bรผrgertums, solange sie den Aufstand nicht nรคhrt. Ihr verhรผllt die Wahrheit in schรถnen Bildern.

    Apollinaire:
    Und doch trรคumt selbst der Revolutionรคr in Versen.

    Ferrรฉ: (zischelt)
    Ich bin der Beweis. Meine Chansons sind Poesie, aber sie brennen.


    Szene III โ€“ Das Labor

    (Burgess tritt ein, scharf gekleidet, lรคchelnd. Er bleibt stehen, als fรผhre er Regie.)

    Burgess:
    Meine Herren, ihr trรคumt, ihr kรคmpft โ€“ und doch รผberseht ihr das Wesentliche: Monaco ist ein Labor. Ein Zwergstaat, der รผberlebt, indem er Kapital wรคscht, Glanz verkauft, Dystopie im Miniaturformat.

    Ferrรฉ: (bitter)
    Und doch kann ein Lied diese Puppenstube erschรผttern.

    Burgess: (kalt)
    Oder nur begleiten, wie Musik in einem Salon, wรคhrend die Spieler verlieren.

    (Pagnol tritt hinzu, die Wรคrme des Midi in der Stimme.)

    Pagnol:
    Ihr alle seht nur Fassaden. Ich sehe die Menschen: Fischer, Kinder, Mรผtter, Hรคndler. Hinter dem Glanz lebt ein Alltag. Geschichten, die nach Meer riechen. Monaco ist nicht nur Roulette.

    Marx: (schlรคgt mit der Faust auf den Tisch)
    Gerade sie sind es, die man verschlingt! Ihr Leben nรคhrt diesen Apparat, den ihr Alltag nicht schรผtzen kann.


    Szene IV โ€“ Entscheidung

    (Der Croupier setzt die Kugel in Bewegung. Alle verstummen. Die Kugel rollt, springt, klackt. Jeder Blick folgt ihr.)

    Marx: (erhebt sich)
    Seht! Hier verdichtet sich Geschichte: Rot gegen Schwarz. Symbol des Kampfes, Allegorie der Welt.

    (Die Kugel fรคllt auf Rot. Stille. Dann ein Aufatmen.)

    Marx: (triumphierend)
    Rot! Das Zeichen des Aufstands. Geschichte ist kein Spiel, aber sie kennt nur diesen Weg.

    Ferrรฉ: (blรคst Rauch in die Kronleuchter, leise)
    Vielleicht, Karl. Aber ohne das Lied, ohne den Traum, bleibt selbst dein Rot stumm.

    (Schweigen. Das Meer rauscht unsichtbar hinter den Spiegeln. Der Croupier sammelt die Jetons, ungerรผhrt.)

    Vorhang.

    Marx und Ferre